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10 Jahre "HÖR ZU!" -- "Hörzu" Nr. 51 / 1956, S. 6-7:
Wie wir anfingen und wie wir wuchsen - Ein kleines Kapitel aus der bewegten Entstehungsgeschichte
einer großen illustrierten Zeitschrift
"Hoch soll sie leben, hoch soll sie leben..." Moment mal: Wer? Weshalb?
Na, HÖRZU natürlich! Es feiert heute seinen zehnten Geburtstag. Heute vor zehn Jahren
erschien HÖR ZU zum erstenmal im Straßenbild. Blau vor dem samtblauen sternenblitzenden
Nachthimmel schwebend. Und dahinter rot und weiß der schlanke Turm eines Rundfunksenders.
Es war der härteste Winter seit vielen Jahren. Temperaturen bis zu minus 19 Grad. Und keine Kohle!
- Nichts zu essen! - Nur spärliche Kleider. Fröstelnd griffen unsere ersten 250 000
Freunde in die Tasche: 30 Pfennig für 12 Seiten. In wenigen Stunden war HÖR ZU ausverkauft.
Es war da und war sofort Mangelware, denn mehr Papier als für 250 000 Exemplare konnte
uns auch die allgewaltige Besatzungsmacht nicht beschaffen.
Den Setzern erstarrten in den ungeheizten Räumen
die Finger am kalten Blei. Die Redakteure standen meist schnatternd um den viel zu kleinen, viel zu schwach
geheizten Ofen in einem Raum an der Außenalster und beschwerten jedes Stück Papier mit einem
Stein, damit der Wind, der durch die undichten Fenster pfiff, es nicht verwehte.
Als ich unseren ersten Leitartikel "An unsere Leser" schrieb, lag ich bäuchlings auf einer Couch.
Über mir das Bettzeug, neben mir eine 15-Watt-Lampe. Sie spendete Wärme und Licht zugleich...
Und trotzdem: Die herzliche Aufnahme, die HÖR ZU schon am ersten Tage fand, ließ alles das vergessen.
Andere hungerten und froren doch auch! Wem es Ernst um die Zukunft war, der packte an.
Hier sehen Sie ein paar Bilder aus den ersten Jahren von HÖR ZU! Sie sagen Ihnen genug.
Uns ist wahrhaftig nichts geschenkt worden!
Dann kam die Währungsreform.
Dieser 20. Juni 1948 war einer der aufregendsten Tage in unserer Geschichte. Jeder Bürger des Bundesgebietes
hatte nur 40 Deutsche Mark. 40 wertvolle Mark bei tausend unerfüllten Wünschen.
Würden unsere Freunde auch jetzt wieder ihre 30 Pfennig für HÖR ZU ausgeben? Würden sie nicht
erst zu vielen anderen Dingen greifen, die sie dringend brauchen?
Es wäre verständlich gewesen.
Und doch geschah das, was viele für ein Wunder hielten:
HÖR ZU war wieder im Augenblick vergriffen.
Wir bekamen mehr Papier.
Fünf Monate später hatte unsere Auflage die halbe Million überschritten.
Im Februar 1949 waren es schon über 750 000. Und im August 1950 konnte Mecki stolz
verkünden: "Die erste Million ist überschritten!" Mecki, der sich unseren Lesern im
Oktober 1949 erstmalig vorgestellt hatte.
"Nehmen Sie doch dieses scheußliche Vieh nicht auf die Titelseite", warnte mich damals meine
Bildreaktion, "das wird viele unserer Leser abstoßen!"
Ich konterte mit der Behauptung, den süßen Kerl würden unsere Leser künftig sogar suchen,
und schrieb das auch gleich dazu. Expreh - wie wir im Rheinland sagen.
Mecki wurde ein Zeitungserfolg ohnegleichen. Mecki wurde die bekannteste
und beliebteste "Persönlichkeit" des Bundesgebiets.
Im November 1949 vergrößerten wir das Format und erweiterten wir den Umfang auf 40 Seiten.
Er ist inzwischen bis auf 80 Seiten angewachsen.
Im Januar 1950 brachten wir den ersten großen Roman von
Hans-Ulrich Horster: "Ein Herz spielt falsch". Eine Liebesgeschichte aus unseren Tagen, die mit vielen
überkommenen, längst veralteten Anschauungen über den Zeitschriftenroman aufräumte und zum Prototyp
des HÖR ZU-Romans wurde. Heute ist er ein Begriff.
Im Herbst 1949 sprach zum erstenmal Frau Irene mit unseren Lesern. Das Gespräch - das streng vertrauliche
Gespräch von Mensch zu Mensch - war in Gang gebracht.
HÖR ZU wurde beliebter von Tag zu Tag. Im Oktober 1952 kletterte die Auflage auf 1,5 Millionen, und im Februar 1954
überschritt sie die höchste Auflage, die eine deutsche Illustrierte in der Zeit des "Großdeutschen
Reiches" je erreicht hat: die Zwei-Millionen-Grenze!
Heute wird HÖR ZU jede Woche von 2,75 Millionen Menschen gewählt. HÖR ZU hat damit die höchste
Auflage von allen Zeitschriften unseres Kontinents, und es gibt auf diesem Kontinent keine Zeitschrift, die auch nur
eine halb so große Auflage aufzuweisen hätte!
Welch beglückende Feststellung! HÖR ZU ist zur deutschen Familienzeitschrift geworden. HÖR ZU wird auch
von unseren Kindern gelesen. Eine Tatsache, die uns nicht nur mit Stolz und Freude erfüllt, sondern auch eine
ernste Verpflichtung enthält; wir brauchen darüber nicht zu sprechen...
Aber wir wollen deshalb trotzdem nicht sauertöpfig, prüde und mit Scheuklappen durch unsere Tage bummeln.
HÖR ZU führt eine offene Sprache. Wir sehen in den Rundfunk-Anstalten unsere natürlichen Freunde.
Doch wir haben auch die Pflicht, Kritik zu üben und Mißstände anzuprangern.
Dem Fernsehen hat von Anfang an unsere besondere Liebe gehört. Schon in der ersten Nummer von HÖR ZU
schrieben wir: Das Fernsehen trotz all unserer erdrückenden Alltagssorgen nie aus den Augen zu verlieren,
halten wir für eine Verpflichtung gegenüber der Zukunft.
Dieses Wort haben wir gehalten. Wir haben dem Fernsehen in einer Zeit, in der seine Programme jede ernsthafte Kritik
unmöglich machten, eine "Schonfrist" des Schweigens gegeben.
Sie ist vorbei. Jetzt werden wir das Fernsehen fördern, wo wir nur können.
Wo es not tut - mit harter Kritik.
Als wir begannen, begannen wir mit vier Farben; es kommt uns heute fast wie Hochstapelei vor. - Doch die Farben
"erfroren" uns schon bald. Als sie endlich auftauten, da war uns die Auflage längst weggelaufen.
Immer wieder verhinderte das rasche Hochschießen der Auflage den Farbdruck; denn wenn die Maschinen dafür
aufgestellt waren, reichten sie gerade, um den Einfarbdruck (halbwegs!) sicherzustellen.
Heute gehen wir nun ins elfte Jahr.
Und wir versprechen Ihnen: Heute wollen wir uns selber einmal wieder ganz kritisch und hart unter die Lupe
nehmen, denn HÖR ZU soll und muß nicht nur frisch und frech und jung bleiben wie am ersten Tag,
sondern von Nummer zu Nummer besser werden.
Es wird; Sie werden es immer wieder merken!
Eduard Rhein
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