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"Über alles siegt die Liebe - zum Zauberspiegel", "Lockruf des Wunders",
"Fernsehen in Sicht":
mit solchen Überschriften begleitete die Rundfunkzeitschrift "Hör Zu" die Entwicklung des Fernsehens in den Nachkriegsjahren. Schon in der ersten Ausgabe von "Hör Zu" vom 15. Dezember 1946 hatte Chefredakteur Eduard Rhein seinen Einsatz für den zukünftigen "farbigen, plastischen Fernsehrundfunk" als Ablösung des "blinden Rundfunks" angekündigt. Rhein hatte das Fernsehen bereits in den 30er Jahren als technischer Fachredakteur der Rundfunkzeitschriften des Ullstein-Verlages publizistisch begleitet. In zahlreichen Artikeln beschrieb er dort für jedermann verständlich das "Wunder des Fernsehens". Mit seiner populären Berichterstattung war Rhein denn auch an dem nationalsozialistischen Technikmythos um das Fernsehen beteiligt. Das neue Medium galt den Nationalsozialisten ja als propagandistischer Beleg ihrer wissenschaftlich-technischen Leistungsfähigkeit.

In den unmittelbaren Nachkriegsjahren war die Entwicklung des Fernsehens unterbrochen worden. Die Alliierten hatten den deutschen Fachleuten 1945 jede Beschäftigung mit der Fernsehtechnik untersagt, die im Zweiten Weltkrieg vor allem militärischen Zwecken diente. Damit das Fernsehen in Deutschland dennoch nicht in Vergessenheit geriet, berichtete "Hör Zu" in den Jahren 1947/48 immer wieder über seine Bedeutung und Verbreitung in den USA und England. Dort verlief der Programmbetrieb bereits routinemäßig und der Absatz von Fernsehgeräten rasant. So konnte Eduard Rhein nicht nur den aktuellen Stand des Fernsehens beschreiben, der Blick nach Übersee bot gleichzeitig die Möglichkeit, auf die "herausragende" Fernsehtradition im eigenen Land hinzuweisen.

Dementsprechend interpretierte Eduard Rhein den im August 1948 mit den Alliierten abgestimmten Beschluß des Verwaltungsrates des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR), einen neuen Fernseh-Versuchssender aufzubauen, weniger als Zeichen des Neubeginns, sondern als ein Anknüpfen an die "erfolgreiche" Fernseharbeit der 30er Jahre, die bedauerlicherweise durch den Krieg unterbrochen worden war. Ihre Weiterführung sollte nun den raschen Anschluß an das Ausland ermöglichen. Die technische Ausstattung und die Facetten des Programmbetriebs in der NS-Zeit beschrieb Eduard Rhein 1948 in einer geradezu euphorischen Retrospektive: "Denkt an unsere großzügige Vorkriegsentwicklung auf dem Fernseh-Gebiet, an die wohlgelungenen Fernseh-Übertragungen von der Berliner Olympiade 1936, an die Großbild-Fernseher der Reichspost, an ihre vorbildlichen Fernsehkabel, die sich quer durch Deutschland zogen, an die regelmäßigen Fernsehsendungen, die auch während des Krieges weiterliefen, bis Ende 1943 eine Bombe den Sender zerstörte."

Solche Rückblicke ignorierten Fragen nach der Funktion des Fernsehens innerhalb des nationalsozialistischen Medienverbunds und der ideologischen Aufbereitung der Programminhalte. Ähnlich wie Programmacher und Techniker, die sich in Hamburg vor dem Aufbau des Versuchssenders zusammengefunden hatten, konstruierte Eduard Rhein das Fernsehen in nachhinein als "unpolitisches" Medium, an dessen Tradition in programmlicher wie in personeller Hinsicht unbekümmert angeknüpft werden konnte.

-Lu Seegers-


Verwendung mit freundlicher Genehmigung des Verlags und des Herausgebers.

Quelle:

Peter Paul Kubitz
Der Traum vom Sehen
Zeitalter der Televisionen
Ein kulturgeschichtlicher Spaziergang zum Fernsehen
Hrsg. von Peter Hoenisch und TRIAD Berlin
Das Lese- und Bilderbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Gasometer Oberhausen (31.05.-15.10.1997)
ISBN 90-5705-054-4
Verlag der Kunst Dresden, Amsterdam

Informationsquellen (Angabe im oben genannten Buch):
Jahrbücher von ARD und ZDF; Aktualisierte Fassung der "Chronik der Programmgeschichte des deutschen Fernsehens" von Joan Kristin Bleicher (Universität-GH Siegen, 1992); "Medienbox" von ARD und ZDF, 1996; Genealogie der Fernsehtechnik von Joseph Hoppe in "TV-Kultur", Verlag der Kunst, Berlin 1997; RTL Television, 1997.



HÖR ZU! - Die Rundfunkzeitung -- "HÖR ZU!" Nr. 1 / 1946 (Allererste Ausgabe!), S. 2:

HÖR ZU - DIE RUNDFUNKZEITUNG
1. JAHR - 15. DEZEMBER 1946 - NUMMER 1

Chefredakteur Eduard Rhein
Briefe für die Redaktion bitten wir ausnahmslos zu richten an:
H Ö R Z U! Redaktion, Hamburg 13, Harvestehuder Weg 9

Ruf: 44 21 21 - Drahtanschrift: H Ö R Z U Hamburg

Für unverlangt eingesandte Beiträge haften wir nicht -
Nachdruck auch auszugsweise verboten

H Ö R Z U erscheint im
Hammerich & Lesser Verlag, Hamburg 4
Veröffentlicht unter Lizenznummer 67 der Militärregierung.
Lizenzträger Axel und Hinrich Springer.
Tiefdruck: Broschek & Co., Hamburg 36

Bezug und Vertrieb: H Ö R Z U ! erscheint wöchentlich und kostet je Heft 30 Pf., ins Haus gebracht 33 Pf., durch Streifband geliefert 38 Pf. Postbezugspreis monatlich RM 1.33 zuzüglich Zustellgebühr. (In den Preisen sind enthalten: je Heft 0,8 Pf. Beförderungskosten und je nach Zustellung weitere 4 Pf. Botenlohn oder 8 Pf. Streifbandporto oder eine monatliche Postgebühr von 6,2 Pf.)

Bitte richten Sie Ihre Bestellung zur Zeit nur an:
H Ö R Z U ! Vertrieb, Hamburg 4, Heiligengeistfeld, Hochhaus 2. Ruf: 43 12 12,
Drahtanschrift: Hammerlesser Hamburg,
Postscheck: Hammerich & Lesser, Hamburg 209 86.
Bank: Vereinsbank in Hamburg, Altonaer Filiale.
Unverlangte Vorauszahlungen können nicht angenommen werden.




An unsere Leser -- "HÖR ZU!" Nr. 1 / 1946 (Allererste Ausgabe!), S. 2:

"Endlich wieder eine Rundfunkzeitung!" -- Aber wissen Sie auch, welche Zeitspanne dieses "Endlich" umgreift? Wohl kaum. Ihre Funkzeitung blieb eines Tages aus - und Sie merkten es nicht. Zu gewaltig war das Krescendo des Elends und der Todesangst, das dem lähmenden Zusammenbruch vorausging: Schon im Mai 1941 mußten alle Programmzeitungen ihr Erscheinen einstellen. Vor mehr als fünfeinhalb Jahren!

Nun will HÖR ZU! das alte Band zwischen Rundfunk und Hörer aufs neue knüpfen. Doch es will damit keineswegs den "alten Faden" weiterspinnen. HÖR ZU! will nicht eine Illustrierte ersetzen, nicht eine Gartenlaube mit Häkelmuster und Rundfunkprogramm sein, nicht mit der Bühne und dem Film kokettieren. HÖR ZU! will zur reinen Urform der Rundfunkzeitung zurückführen und wird sich deshalb ausschließlich mit dem Rundfunk beschäftigen: mit seinen Künstlern, Technikern, Organisatoren, mit den Problemen seiner Programmgestaltung und nicht zuletzt mit den Wünschen und Nöten seiner Hörer.

HÖR ZU! wird dabei eigene Wege gehen, denn wir halten es nicht nur für eine erhebende Pflicht, Traditionen zu heiligen, sondern nehmen für uns in Anspruch, neue zu schaffen. In HÖR ZU! soll das Bild die sinn- und zweckvolle Ergänzung des "blinden" Rundfunks sein. Schon in unserer übernächsten Nummer werden wir Ihnen an einem Beispiel beweisen, daß man in dieser Richtung noch völlig neue Wege gehen kann. Die besten Schriftsteller, Bildberichter und Zeichner werden uns bei unserem Streben unterstützen. Wir wollen mit Freude und Begeisterung von den schöpferischen Kräften des Rundfunks berichten - im Zeitalter der Zonengrenzen vor allem von denen des Nordwestdeutschen Rundfunks. Wir tun es gern, weil wir die Arbeit des Nordwestdeutschen Rundfunks wegen ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber den Fragen der Gegenwart bersonders schätzen. HÖR ZU! nimmt sich freilich das Recht, offene Kritik zu üben, wo es um grundsätzliche Dinge geht; wo sie zum Nekrolog einer längst verwehten Sendung wird, lehnen wir die Kritik als sinnlos ab.

HÖR ZU! erscheint in der papierärmsten Zone. Wir beginnen deshalb mit zwölf Seiten, obwohl wir am liebsten gleich mit zweiunddreißig Seiten begonnen hätten. Unsere Frauen werden bei HÖR ZU! den Roman vermissen. Doch Sie sehen, daß wir den Mangel selber empfinden, und dürfen versichert sein, daß wir ihn beheben werden, sobald sich die Papierlage bessert. Anderseits haben wir uns bemüht, den Platz aufs beste auszunutzen. Das Programm soll mit der Zeit erheblich größer werden, wenn wir die Programme der deutschen und ausländischen Sender rechtzeitig heranschaffen können. Freuen Sie sich mit uns über die wundervollen Möglichkeiten des Vierfarbendrucks, der uns hier zum erstenmal in einer Rundfunkzeitung geboten wird, und lassen Sie uns hoffen, daß Ihnen auch unsere Farbrätsel Spaß machen, bei denen zum erstenmal die Farbe ein Bestandteil des Rätsels wurde.

HÖR ZU! hält den Rundfunk nur für eine Vorstufe des farbigen, plastischen Fernsehrundfunks. Seine Entwicklung ist bei uns vorläufig unterbrochen. In England und Amerika macht sie gewaltige Fortschritte. Sie trotz all unserer erdrückenden Alltagssorgen nie aus dem Auge zu verlieren, halten wir für eine Verpflichtung gegenüber der Zukunft.

Das wollten wir Ihnen an dieser Stelle sagen. Künftig aber soll dieser Raum Ihnen zur Verfügung stehen: Ihren Wünschen und Anregungen - und Ihrer Kritik. Schrecken Sie nicht vor einem offenen Wort zurück. Wir leben nicht mehr unter den Peitschen der Diktatur!

-Redaktion und Verlag-


Die vier Zonen und ihre Sender -- "HÖR ZU!" Nr. 1 / 1946 (Allererste Ausgabe!), S. 3:

Das also ist der Stand der Dinge! Beim ersten Blick scheint nur wenig geändert. Ein paar Sendernamen fehlen zwar, doch ein paar neue sind hinzugekommen. Fast möchte man bei dieser Feststellung die wichtigste Änderung übersehen: Wir haben nur noch einen Zonen-Rundfunk.

Vier unterschiedliche Rundfunk-Systeme, mehr oder weniger dem Vorbild der jeweiligen Besatzungsmacht angenähert, führen ein kleinstaatliches Eigenleben. Ihre Sendungen spiegeln zuweilen eine engstirnige Kirchturmpolitik, und nur selten vermischen sich ihre Stimmen zum Chor... .

Jeder von uns mauert zwar an den zerschmetterten vier Wänden seiner engsten Welt, aber nur Kurzsichtige vergessen oder verlieren darüber den Blick in die Weite, den Blick ins Morgen!


Köln baut auf! -- "HÖR ZU!" Nr. 1 / 1946 (Allererste Ausgabe!), S. 4-5:




Der Neubau des großen Sendesaales im Kölner Funkhaus

Ein Bombentreffer hat den großen Sendesaal des Kölner Funkhauses völlig vernichtet und auch die übrigen Räume zum Teil schwer beschädigt.

Aber Köln baut wieder auf! Schon sind die kleineren Aufnahmeräume fast alle wieder verwendbar. Jetzt steht die Sorge um den großen Sendesaal im Vordergrund des des Interesses. Seit Monaten sind die leitenden Techniker dabei, auf den Trümmern des alten Sendesaales einen neuen zu errichten.

Die letzten Erkenntnisse der akustischen Forschung, die besten Verstärkereinheiten, Kontrolleinrichtungen und Schallaufzeichnungsgeräte werden hier eingesetzt, um eine vorbildliche Anlage zu schaffen, die auch den allerhöchsten Ansprüchen gerecht wird.

Köln wird es also eines Tages nicht leicht haben, Konzerte zu veranstalten, deren künstlerischer Gehalt dem mustergültigen Stand des neuen Sendesaales gerecht wird.


Das brennende Problem -- "HÖR ZU!" Nr. 1 / 1946 (Allererste Ausgabe!), S. 6:

Wir sind arm geworden! Eine Welt voll falschem Glanz zerbrach und ihr Flittergold zerrinnt in unseren Händen. Wir wissen wohl, daß nach den harten Jahren dieses Krieges noch härtere Jahre vor uns liegen, daß wir oft das Nötigste entbehren und uns viele kleine Freuden werden versagen müssen. Doch zu schwer ist die Last, die auf unseren Schultern liegt, zu trostlos der Blick auf die Trümmerstraßen unserer Städte, als daß wir auch noch auf das letzte bißchen Freude verzichten möchten, das der Rundfunk in die Beengtheit unserer menschenüberfüllten Räume trägt.

Noch stehen Hunderttausende von Empfängern ungenutzt; beschädigt oder mit verbrauchten Röhren. Sie wieder verwendbar zu machen, ist eine Aufgabe, die fast unlösbar scheint, denn vieles fehlt, was dazu nötig ist: Ersatzteile, Röhren, erfahrene Fachkräfte, und nur zu oft die ehrliche Hilfsbereitschaft auf der einen und das Vertrauen auf der anderen Seite. Ersatzteile und Röhren, nun ja, wir wissen, daß ihre Fertigung schon während des Krieges eingestellt wurde. Dieser Mangel erschwert dem Rundfunkhändler heute seine Arbeit gewaltig; Aber dennoch weiß sich der geschickte Fachmann oft zu helfen, wo der ungeschickte vor einer unlösbaren Aufgabe zu stehen glaubt. Viele Teile und Röhren aus alten Wehrmachtbeständen lassen sich ersatzweise einbauen und geben damit die Möglichkeit, ein sonst vielleicht auf Jahre hinaus unbrauchbares Gerät wieder betriebsklar zu machen.

Das Fehlen der dringend benötigten Ersatzteile ist gewiß ein schweres Hemmnis, aber viel schlimmer ist das nur zu oft feststellbare Fehlen des nötigen Vertrauens bei den Kunden und der nötigen Hilfsbereitschaft bei den Instandsetzern. Wer heute seinen defekten Rundfunkempfänger aus der Hand gibt, ist sich wohl darüber klar, daß er ihn dem Können oder Unvermögen, der Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit des anderen ausliefert. Denn Rundfunkreparaturen sind eine Sache des Vertrauens. Des Vertrauens in einer Zeit, die das demoralisierende Wort "organisieren" durch das vielleicht noch gefährlichere "sicherstellen" zu ersetzen wußte, um nicht stehlen, rauben oder plündern sagen zu müssen? Wer wagt es angesichts dieser Seuche, für sich selber noch das Vertrauen der anderen, tausendfach Betrogenen zu fordern? Es hat einmal einen ehrlichen und anständigen Funkhandel gegeben mit geschulten Kräften und gesunden Geschäftsgrundsätzen. Es gibt ihn, auch heute noch. Daneben aber blüht das Pfuschertum und richtet verhängnisvollen Schaden an.

Ich sah im Harz einen Empfänger, den ein Neuer auf der erfolglosen Suche nach dem Fehler in wochenlanger Arbeit mit mehr Eifer als Können gänzlich zerrupft hatte. Vergeblich zerrupft hatte, denn das Gerät war völlig intakt gewesen. Er hatte nur eine Kleinigkeit übersehen: zwei Stahlröhren waren miteinander vertauscht worden! Er baute es wieder zusammen; doch was es dann noch leistete, war nur ein Schatten von ehedem. Ich sah in Westfalen einen, der trotz der überaus beengten Verhältnisse Hunderte von Empfängern zur Reparatur annahm. Nicht in einem ganzen Jahr hätte er sie reparieren können. Nun - das wollte er auch gar nicht. "Ich brauche Ersatzteile", gab er unumwunden zu, "die kann ich doch nur aus den alten Kästen nehmen!" "Aber auch die müssen Sie doch eines Tages reparieren!" "Kommt Zeit - kommt Rat!" brummte er vor sich hin. Ich weiß von einem, dem ein wundervoller, fast neuer Super zur Reparatur gebracht wurde. - Als er ihn nach Monaten "repariert" zurückgab, war es nur noch ein besserer Volksempfänger. Röhren fehlten, Teile fehlten!

Ich weiß von einem... ach, unsere Leser werden tausendundeines solcher Beispiele wissen! Traurige Zeichen einer traurigen Zeit. Sie mahnen zur Vorsicht. Gebt eure Empfänger nicht jedem in die Hand! Kennzeichnet vorher die Röhren! Kratzt eure Namen in die Röhrensockel! So schützt ihr euch vor schmerzlichen Verwechslungen und den Instandsetzer vor unberechtigten Vorwürfen.

Wartet lieber mit einer weniger wichtigen Reparatur auf jene Zeit, in der die Funkhändler wieder froh sein werden, ein Gerät reparieren zu dürfen! Sie ist nicht mehr fern. Der seriöse Funkhandel aber möge sich überlegen, wie in seinen eigenen Reihen Wandel geschaffen werden kann! - Das ist das brennende Problem!

-Eduard Rhein, Chefredakteur-


NWDR-Rundfunk-Teilnehmer -- "HÖR ZU!" Nr. 2 / 1946, S. 2:

Am 1. Februar 1946 hatte der NWDR 2 523 412 Rundfunk-Teilnehmer; am 1. November war die Zahl auf 2 788 289 gestiegen. Bei einer Einwohnerzahl von 23 Millionen Menschen entspricht das einer Teilnehmerdichte von 12,11 Prozent. Der NWDR steht damit unter allen vier Zonen sowohl im Hinblick auf die Teilnehmerzahl als auch die Teilnehmerdichte an erster Stelle.


Quitz-Programme in den USA -- "HÖR ZU!" Nr. 2 / 1946, S. 2:

Eine der beliebtesten Sendungen im amerikanischen Rundfunk sind die "Quitz-Programme", in denen Gästen im Senderaum Fragen aus allen Wissesgebieten gestellt werden. Für richtige Antworten sind hohe Prämien ausgesetzt; ein Soldat erhielt beispielsweise für eine einzige richtige Antwort 1900 Dollar.


Studiobau in New York -- "HÖR ZU!" Nr. 2 / 1946, S. 2:

In New York sollen mit einem Aufwand von 60 Millionen Dollar 24 große Studios zur Herstellung von Fernsehfilmen gebaut werden.


Wo sind die Auslandssender? -- "HÖR ZU!" Nr. 2 / 1946, S. 2:

Sie schreiben in Nummer 1, wir dürften hier offene Kritik üben. Verzeihen Sie, wenn ich diese Kritik mit einer Kritik an "HÖR ZU!" verbinde: Wenn wir wirklich in einer Demokratie leben, dann bringen Sie doch bitte auch die Programme aller Auslandssender, so wie das früher einmal Brauch gewesen ist!
-L. N. aus Hamburg 36-

Antwort der "HÖR ZU!"-Redaktion:
Ihr Wunsch ist berechtigt. Wir wollen später auch die Auslandsprogramme bringen. Zur Zeit ist das aber noch nicht möglich, weil sie nicht rechtzeitig herankommen. Selbst die Programme der deutschen Sender können infolge der Zonengrenzen teilweise nur unter unglaublichen Schwierigkeiten in vielstündigen Telephongesprächen, durch Telegramme und Fernschreiber herangeholt werden. Doch wir werden mit der Zeit auch dieses Problem lösen; es muß werden - und es wird werden! Bis dahin bitten wir um Verständnis und Geduld. -- Die Redaktion


Frischer Wind in den Funkhäusern -- "HÖR ZU!" Nr. 3 / 1946, S. 4-5:

Um die Jahreswende wird meist eine stille Stunde freigehalten, in der jeder für sich eine Art Bilanz des Vergangenen zieht. Beim Rundfunk erschöpft sie sich nicht in einem akustischen Rückblick über die wichtigsten Ereignisse und Spitzensendungen, auch er muß die Soll- und Haben-Seiten des dicken Bandes der Jahresprogramme durchblättern - und seine Folgerungen daraus ziehen.

Was steht heute unter dem Jahres-Schlußstrich? Allgemein: eine Erweiterung der Programme durch neue - für deutsche Hörer neue - Inhalte. Ferner ein Wiederwecken und Weiterentwickeln alter Darbietungsformen. Da finden wir auf allen Sendern eine Renaissance des Hörspiels. Es war um 1937 fast ganz verschwunden, da das Wort der Propaganda vorbehalten bleiben und nicht in der künstlerischen Sendung "verbraucht" werden sollte. Die neuerlichen, sehr begrüßungswerten Versuche (zum Teil durch Preisausschreiben belebt) sind bisweilen noch etwas unsicher und tastend, aber man erkennt ein verantwortungsbewußtes Streben und - sogar schon eine Linie. Das gleiche gilt für Hörfolgen, Querschnitte, Hörbilder usw., in denen Zeitprobleme schon aufrüttelnd und deutend angepackt werden.

Auf dem Vortragsgebiet hat die Diskussion eine Auferstehung erfahren. Nicht das Diskutieren von gleichgesinnten Partnern, die das Mehrgespräch nur als anlockende Form benutzen, sondern ein Gegeneinanderaufstellen und Abwägen von verschiedenen Ansichten über eine Frage. Der Hörer wird angeregt, andere Meinungen achtungsvoll zu hören und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Der "Runde Tisch" des NWDR und die öffentliche Diskussion im Forum des Stuttgarter Senders, die "Tribüne der Zeit" des Südwestfunks und die "Tribüne der Demokratie" in Berlin sind Beispiele dafür. Beispiele auch für eine neue Geschichtsbetrachtung. Im Vortragswesen, im Nachrichtendienst, in den Kommentaren wird ein Vorgang nicht mehr unter einem Gesichtspunkt behandelt, sondern Tatsachen sprechen eine nüchterne Sprache, und Deutungen bieten ein Für und Wider. Das bis zum stumpfen Hinnehmen abgeschwächte Zuhören wird neu geweckt zum Mitdenken; das ist eine fruchtbringende Anstrengung, die der Rundfunk zum Vorteil des Hörers erbittet. Unter diesen Gesichtspunkten ist auch das neue Erstehen der Funkhochschule zu betrachten, mit den anspruchsvollen Reihensendungen über alle Lebens- und Wissensgebiete in leicht faßlicher Form.

Der Rundfunk nimmt damit eine alte Verpflichtung wieder auf. Er will weder der Universität noch der Volkshochschule oder anderen Einrichtungen Konkurrenz machen. Er weiß aber, daß er Lücken zu füllen, neue Wege weisen und für die heute noch fehlenden schwer erhältlichen Bücher oder Zeitschriften einspringen muß. Mit seinen Hörspielen trägt er die Bühne in die zerstörten Städte und Dörfer, die nur wenige Schienenwege mit den Zentren des neuerwachten Kulturlebens verbinden; mit der Funkhochschule schafft der NWDR den besten Köpfen eine große Gemeinde, verbunden im Hören trotz aller räumlichen Trennung.

Der seit einem Jahrzehnt schlummernde Schulfunk ist mit erhöhten Aufgaben zu neuem Leben erweckt. Neu sind auch die Gottesdienste und Morgenfeiern, neu das Besprechen der Hörerbriefe und Hörerwünsche am Mikrofon, wobei oft recht kritische Betrachtungen und Anregungen zum Programm Raum gegeben wird.

Als Erbschaft aus dem Chaos blieben die Suchdienste, aus denen sich als Sendungen menschlicher Ansprache und Aussprache die Stunden für Kriegsgefangene, Internierte und Flüchtlinge ("Neue Nachbarn") entwickelten. Wer seine Heimat verlor oder ihr noch fern sein muß, ist immer einsam. Jedes verstehende Wort fällt in ihm auf fruchtbaren Boden. Der Rundfunk hat die Pflicht, zu raten und zu helfen, Brücken zwischen den Menschen zu schlagen. Er ist mehr als nur ein technisches Verbindungsmittel.

Weit geöffnet sind die Fenster und Türen der Rundfunkhäuser für alles Neue auf dem musikalischen und literarischen Gebiet und für das uns lange vorenthaltene Schaffen des Auslandes. Es fehlen zwar noch - von wenigen Ausnahmen abgesehen - die regelmäßigen, weite Räume erschließenden Austauschsendungen von Land zu Land, in denen unmittelbar das Bild der Welt zu uns ins Haus getragen wird. Aber es sind manche, oft noch ungewohnte Programme (wie Quiz-Sendungen, Sprachunterricht, "Stimme Amerikas", u. ä.) auf den Sendern in den verschiedenen Zonen zu hören, Mitbringsel aus dem Gepäck der Besatzungsmächte, an deren Neuheit wir uns erfreuen oder gewöhnen sollten.

Zu dieser skizzenhaften Zusammenstellung muß jedoch noch gesagt werden, daß dieser Neubau nicht einfach war. Er mußte oft mit den primitivsten technischen Mitteln, mit ungeschulten Kräften und unter den größten Schwierigkeiten durchgeführten werden. Der Rundfunk soll nicht zu viel über sich selbst sprechen, aber einmal im Jahr darf er den Hörern auch von seinen Nöten erzählen. Den Hörer interessiert im allgemeinen nur, was aus dem Lautsprecher herausklingt, er fragt selten danach, wie es entstand. Bei einer Enttäuschung, einer Panne, ja, da ruft er: wie war das möglich?! Die Männer vom NWDR ihrerseits fragen sich oft: wie können wir das ermöglichen?

Es gibt keinen Funktag ohne Überraschungen. Das Antennengespenst ist im Erfinden von Rundfunkpannen einfach unerschöpflich. So ließ die Last der Tagesarbeit zunächst keine Planung zu, aber heute ist sie bereits aus dem Improvisieren wieder erwachsen. Sie dient nicht dazu, den Rundfunk in ein für die Sendeseite bequemes Schema einzuengen, sondern will wieder eine geordnete, wohlabgestimmte und ausgewogene Fülle bieten, deren Wert - der Hörer durch seine Wahl anerkennt.

-Wgf, "HÖR ZU!"-


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