Fernseh-Versuchssender beschlossen -- "HÖR ZU!" Nr. 35 / 1948, S. 2:
Der Verwaltungsrat des NWDR hat den Bau eines Fernseh-Versuchssenders beschlossen. Dieser Sender soll ein zukünftiges
deutsches Fernsehen vorbereiten. Der NWDR hat damit die technisch und kulturell gleichermaßen bedeutungsvolle
Aufgabe übernommen, die durch den Krieg unterbrochene äußerst erfolgreiche deutsche
Fernseh-Entwicklung fortzusetzen.
Hans-Bredow-Institut -- "HÖR ZU!" Nr. 35 / 1948, S. 2:
In dankbarer Anerkennung der bahnbrechenden Arbeit, die Staatssekretär a.D. Dr. h. c. Hans Bredow für den
deutschen Rundfunk geleistet hat, wurde durch den Verwaltungsrat beschlossen, die Universität Hamburg
zu bitten, für die Zwecke der Forschung und Lehre auf dem Gebiet des Rundfunks ein Institut ins Leben zu
rufen und ihm den Namen Hans-Bredow-Institut
zu geben. Der NWDR ist bereit, für die wissenschaftlichen und pädagogischen Aufgaben des Instituts
die notwendigen sachlichen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen.
Fernsehen in Sicht -- "HÖR ZU!" Nr. 36 / 1948, S. 3:
Der Verwaltungsrat des NWDR beschloß auf seiner 4. Tagung in Rolandseck mit dem Einverständnis
der Britischen Militär-Regierung die Entwicklung des Fernsehens wieder aufzunehmen. Es soll jetzt im NWDR
ein Versuchs-Fernsehbetrieb aufgebaut werden, mit dem die Erfahrungen für einen späteren endgültigen
Fernsehbetrieb gewonnen werden können. Etwa zwei Jahre werden erforderlich sein, bis der Fernsehbetrieb
anlaufen wird. - In England und in den USA sind noch heute die schon vor dem Kriege entwickelten Fernsehgeräte
in Betrieb. Dem NWDR wird es jetzt möglich sein, seine Fernsehanlage
nach dem neuesten Stand der Technik aufzubauen.
Als der Nordwestdeutsche Rundfunk im Dezember vorigen Jahres aus den Händen der Britischen Militärregierung
sein Statut entgegennahm, beachteten nur wenige den kleinen eingeklammerten Hoffnungsschimmer in dem Satz:
"Die Rundfunk-Sendungen sollen in Sprache und Musik (später, sobald technisch möglich, auch im Bilde)
Unterhaltung, Bildung, Belehrung und Nachrichten vermitteln."
"Also fangt an!" riefen die Optimisten. Doch die Pessimisten schüttelten ärgerlich den Kopf:
"Eine Fata morgana! Noch gibt es keine Röhren und keine Ersatzteile für unsere müden
Rundfunk-Empfänger. Noch fehlt es der Industrie am nötigsten Material für den Neubau einfachster
Empfangsgeräte. Und da wollt Ihr..."
"Wir müssen es trotzdem versuchen! Seht, was das Ausland macht! Seht nach den USA, nach England, nach Frankreich!
Wir müssen den Anschluß, den wir einmal hatten, zurückgewinnen. Und sei es auch nur im Versuchsbetrieb!
Denkt an unsere großzügige und erfolgreiche Vorkriegs-Entwicklung auf dem Fernseh-Gebiet, an die
wohlgelungenen Fernseh-Übertragungen von der Berliner Olympiade 1936, an die Großbild-Fernseher der Reichspost,
an ihre vorbildlichen Fernseh-Kabel, die sich quer durch Deutschland zogen, an die regelmäßigen Berliner
Fernseh-Sendungen, die auch während des Krieges weiterliefen,
bis Ende 1943 eine Bombe den Sender zerstörte.
Wir sahen damals Hunderte von Filmen im eigenen Heim - und das schon in hervorragender Qualität. Wir sahen
täglich zweimal ein unterschiedliches Zwei-Stunden-Programm mit Tages- und Wochenschau, Kultur- und Spielfilmen,
mit Fernseh-Spielen aus den Berliner Studios, Opern- und Operetten-Aufführungen. Wir durften spannende
Fußball-Wettkämpfe miterleben. Wir waren durch den Fernseher dabei, wenn prominente Gäste
Berlin besuchten. Wir hörten und sahen berühmte Dirigenten auf der kleinen weißen Wand, erlebten
Künstler von Weltruf vor dem Auge der Fernseh-Kamera: Sänger, Geiger, Pianisten, Forscher aus aller Welt.
Wir sahen manchen großen Film im Fernseher fast gleichzeitig mit der Uraufführung.
Und wir erkannten erst, wie nackt und arm der blinde Rundfunk ist! Der Fernseher hatte schon damals seine
Kinderschuhe ausgetreten, und es gab viele, die gern darauf verzichteten, sich einen Spielfilm im großen
Kino anzusehen, wenn er auch über den Fernseher lief.
Das sagt wohl genug über die schon damals erreichte Bildgüte.
Gewiß: Der Fernseher hatte trotzdem noch Mängel (selbst unsere herrlichsten Luxus-Limousinen
haben noch Mängel), und einer seiner größten Mängel war damals seine zu geringe Zeilenzahl.
25mal in jeder Sekunde schreibt der winzig kleine Lichtpunkt der Braunschen Röhre 441 Zeilen auf die weiße
Wand. Das sind etwa fünf Millionen Lichtpunkte unterschiedlichster Helligkeit, aus denen in jeder einzelnen
Sekunde das lebende Lichtbild entstand. Aber auch 441 genügten noch nicht ganz. Viele Feinheiten des Bildes
kamen nicht scharf genug. Große Massenszenen waren oft nur unvollkommen aufgelöst. Schon 1939 zeigte
deshalb die Fernseh-AG 729-Zeilen-Bilderauf der Rundfunk-Ausstellung."
Inzwischen ist ein Jahrzehnt vergangen. Ein Jahrzehnt, in dem die Fernseh-Techniker hüben und drüben
viel dazugelernt haben...
Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, daß sie sich nach diesem Kriege überall mit Feuereifer auf
die dankenswerte Aufgabe des Friedens stürzten. Nur unsere eigenen Fachleute mußten bisher noch abseits
stehen, soweit sie nicht einem verlockenden Ruf ins Ausland folgten: Nun soll das anders werden.
Nun dürfen wir wieder!
Und - dank dem großzügigen und zukunftsfrohen Entschluß des NWDR-Verwaltungsrates - nun
können wir wieder!
Die Techniker in der Rothenbaumchaussee zu Hamburg sind voll Begeisterung. Sie wissen, daß nun neue,
sehr schwere Jahre voll Sorgen und Arbeit vor ihnen liegen. Aber sie sehen auch nur zu gut das lockende,
wahrhaft "leuchtende" Ziel. In ihren Händen liegt nun die Verantwortung für die Zukunft unseres
Fernsehens. Nur von ihrem Fleiß und ihrem Können hängt es ab, wann wir alle wieder teilhaben
dürfen an dem technischen Lieblingskind unserer Tage: dem Zauberspiegel!
-Eduard Rhein-
1948: Der Zauberspiegel erobert Amerika! -- "HÖR ZU!" Nr. 46 / 1948, S. 5:
Jeder Zehnte von 125 Millionen kennt das Fernsehen
Das Fernsehen hat einen großen Haken. Es kostet unheimlich viel Geld. 10- bis 12mal soviel wie der Rundfunk.
Amerika ist ein reiches Land. Aber die Dollars liegen nicht auf der Straße. Mr. X aus Los Angeles weiß ganz
genau, daß man die 150, 600 oder gar 1200 Dollar für ein modernes Gerät nur sehr langsam oder nie
beieinander hat. Dazu kommen dann 50 bis 100 Dollar für die Spezial-Antenne. Das läßt viele Amerikaner
auf das Fernsehen verzichten.
Aber Fernseh-Leute denken praktisch. Wenn das Fernsehen nicht zum Amerikaner kommt, dann muß eben der Amerikaner
zum Fernsehen gehen. So wurde die scheinbar einfache Lösung gefunden: das Theater-Fernsehen. Fernseh-Bilder werden
auf der Projektionswand von Lichtspiel-Theatern gezeigt. Das klingt recht einfach. Die Vorführungen sind technisch
einwandfrei, sehr aktuell und für den Zuschauer billig.
Aber die Entwicklung war kompliziert, zeitraubend und kostspielig.
Die Idee stammt nicht aus Amerika. Deutschlands Fernseh-Dienst in Berlin zeigte auf der großen Funk-Ausstellung
vor dem Kriege bereits Fernseh-Großbilder. Auch England experimentierte auf diesem Gebiet. Aber Amerika hat es
verstanden, aus dem Theater-Fernsehen "etwas zu machen".
Dieser Vorsprung wird schwer einzuholen sein.
Das Theater-Fernsehen ist ein großer Erfolg. Den besten Beweis dafür lieferte der Konkurrenzkampf "Film
gegen Fernsehen", der die Entwicklung des Theater-Fernsehens monatelang aufhielt. Zum Schluß sahen beide Parteien
ein, daß Film und Fernsehen keine Konkurrenten sind.
Die ersten Sendungen des Theater-Fernsehens wurden im Januar dieses Jahres in Los Angeles gezeigt. Damals begann man
mit drei Meter hohen Bildern. Heute sind es Bildschirme von 4,60 X 6, 6 X 6, und sogar 5,50 X 7,30 m.
Der Film ist das Lebensblut des Fernsehens. Nur wenige Fernseh-Sendungen sind direkte Übertragungen.
Aus dieser Zwangslage ist eine neue Industrie entstanden: die Fernseh-Film-Industrie. Die Kodak richtete im
August Versuchs-Laboratorien ein, die günstige Aufnahmebedingungen für Fernseh-Filme systematisch ermitteln
sollen. Der Bedarf an Filmen ist so groß, daß er innerhalb der nächsten zwei Jahre kaum
gedeckt werden kann.
Besonderen Wert hat das Fernsehen für aktuelle Veranstaltungen. 1947 wurde die "Telenews" gegründet,
die amerikanische Wochenschau. Sie hat Niederlassungen in allen Teilen Amerikas und Vertretungen in England.
Für die Aufnahmen stehen Spezial-Fahrzeuge und "Helicopter" (Hubschrauber) zur Verfügung.
Die "Telenews" zeigt ihre Aufnahmen früher als die Film-Wochenschau.
Das Theater-Fernsehen ist aus dem Stadium des Experimentierens heraus. In aller Stille sind einige hervorragende
Geräte für das Theater-Fernsehen entwickelt worden. Sie arbeiten nach verschiedenen Verfahren und
ermöglichen eine direkte Übertragung von Fernseh-Aufnahmen in Lichtspiel-Häuser.
Am brauchbarsten hat sich das System der "Paramount" erwiesen, bei dem der technische
Entwicklungsvorgang nur 66 Sekunden dauert. Ein im Prinzip ähnliches Verfahren hat die
RCA im Oktober herausgebracht.
Der unerwartete Aufschwung des Fernsehens in Amerika und die modernen Übertragungs-Systeme
der "Paramount" und der RCA haben zu einer neuen Schwierigkeit geführt: Es gibt zu
wenig Frequenzen. Für jede Stadt hat die FCC (Federal Communication Commission) eine feste Zahl von
Frequenzen vorgesehen. Aber inzwischen bewerben sich 63 Städte um Lizenzen. Film- und Fernseh - Gesellschaften
suchen einen Ausweg: Sie fordern höhere Frequenzen. Das würde nicht nur die Lizenzierung von mehr
Fernseh-Sendern als ursprünglich zur Folge haben, sondern auch dem Theater-Fernsehen nach dem Verfahren
der Mikrowellen-Übertragung eine weitere Verbreitung ermöglichen.
Der Siegeszug des Fernsehens in den USA ist nicht mehr aufzuhalten. 38 Fernseh-Sender sind lizenziert.
Bis zum Ende des Jahres werden es 50 sein. Mehr als 100 000 Arbeiter sind in der Fernseh-Industrie
tätig. Erst jeder zehnte Amerikaner hat bisher Fernseh-Funk gesehen. Noch hat das Fernsehen keine
technische Vollkommenheit erreicht. Aber schon versuchen die Sende-Gesellschaften, die Öffentlichkeit
für das Farb-Fernsehen zu interessieren. Mehrere Verfahren liegen bereit. Es ist nicht daran zu zweifeln,
daß in naher Zukunft das Theater-Fernsehen sich des Farbfilmes bedienen wird.
Das Fernsehen hat uns bisher stets überrascht.
-wh, "HÖR ZU!"-
|