... und immer drauf aufs Schlimme --
"Hörzu" Nr. 27 vom 26.06.1992, S. 6-8:
HÖRZU-Autorin Ursula Weiner über die Fehler des Fernsehens, über die Verantwortung
des Mediums und was endlich anders werden muß:
Manche Fernsehbilder sind nicht zu ertragen. Großaufnahmen von Unfallopfern mit
blutüberströmten Gesichtern. Nahaufnahmen von Löwen, die ein Zebra reißen,
zusammengeschlagene Menschen, Kriegstote. Dazu die Brutalität in amerikanischen Action-Filmen,
Krimis, die von der Gewalt leben. Die Kamera zwingt uns diese Bilder auf, und wir können gar
nicht so schnell umschalten, wie sie uns überfallen.
Weil wir diesen Bildern nicht entkommen können, gewöhnen wir uns daran, passen uns an,
stumpfen ab, verrohen. Wir merken nicht einmal, daß die Reizschwelle immer höher wird
und wir nur noch wahrnehmen, was gänzlich den Rahmen sprengt.
Das bleibt nicht ohne Wirkung auf den Alltag, wo die gleiche Anpassung an die Gewalt stattfindet,
bis wir sie als normal ins Leben integrieren und uns damit abfinden. Die Folgen vor allem für
die Kinder sind verheerend, denn die ahmen nach, was sie bei den Erwachsenen sehen und glauben nach
stundenlangem Konsum der Action-Filme und den Schreckensbildern der Nachrichten, so müsse
das Leben sein, und wie es präsentiert werde, sei es gut.
Und wir klagen die Gesellschaft an, die Politik, fordern strengere Strafen, diskutieren über
die Ursachen steigender Gewalt bei Kindern und Jugendlichen. Und wir glauben sogar Experten, die
behaupten, Prügelszenen im Fernsehen dienten dem eigenen Aggressionsabbau, und merken nicht,
daß wir es sind, die versäumten, sich gegen die steigende Gewalt zu wehren und ihr
statt dessen erlauben, unser Empfinden zu verändern.
Wer protestiert denn gegen Zerrbilder vom Leben, die sich mit dem Mäntelchen der Dokumentation
tarnen, um nicht als bloße Sensationsgier entlarvt zu werden. Wer setzt sich gegen die
Brutalität auf dem Bildschirm mit der gleichen Vehemenz zur Wehr wie gegen zu niedrige
Löhne und zu lange Arbeitszeiten. Wo bleibt eigentlich die Selbstkontrolle des Fernsehens.
Warum schreitet die Kirche nicht ein, die doch die Friedfertigkeit zum Lebensziel hat? - Selbst wir,
die wir schnell die Augen schließen, wenn es auf dem Bildschirm zu grausam wird, tun nichts,
um solche Szenen zu verhindern. Fatalistisch nehmen wir hin, täglich mit Brutalitäten der
ganzen Erde konfrontiert zu werden, obwohl es uns schon schwerfällt,
die im eigenen Umfeld zu verkraften.
Wir nehmen sogar in Kauf, daß dem Fernsehen die Wirklichkeit offenbar nicht mehr reicht.
Sonst käme es nicht auf die Idee, Unglück, das Menschen betraf, noch einmal nachzustellen,
wie im "Notruf", damit wir ja nicht vergessen, wie grausam das Leben sein kann, und nicht
etwa beginnen, es erträglich zu finden. Es ist, als sollte uns eingehämmert werden: Sei
nicht optimistisch. So schnell kann auch dich ein Schicksalsschlag treffen! Trage Trauer, reden sie
uns ein, verzweifele. Es gibt sicher Zuschauer, die auch solche Wiederholungen gottergeben über
sich ergehen lassen, als handele es sich um die Szene eines alten Heimatfilms,
und glauben, sie könnten alles verkraften.
Aber ohne seelischen Schaden kommt niemand davon, der nur ein bißchen sensibel ist. Nicht
ohne Grund steigt die Zahl der Drogen- und Alkoholkranken, nehmen Depressionen und Selbstmorde zu,
weil viele im Leben keinen Sinn mehr sehen.
So weit darf es doch nicht kommen, daß Menschen Angst haben, weil sie nicht wissen, was diesmal
auf sie zukommen wird. Fernsehen ist doch für viele die Brücke nach draußen,
über die am häufigsten gegangen wird. Es ist nicht selten ein einziger Ansprechpartner.
Es informiert, unterhält, macht ein bißchen schlauer, spielt mit Stimmungen, läßt
Millionen Menschen lachen oder weinen, hoffen oder verzweifeln. Darum die Bitte an alle,
die Fernsehen machen:
• Denkt daran, was der Film, den ihr aussucht, für Ängste, Aggressionen
und Verzweiflungstaten auslösen kann.
• Denkt an die Menschen, die allein vor dem Fernseher sitzen, denkt an die Kinder, die sich
einen großen Teil ihrer Lebenserfahrungen vom Bildschirm holen.
• Hört auf damit, euch zu stark auf die Schattenseiten des Lebens zu konzentrieren, als
seien das die einzigen, die zählen.
• Bringt mehr Freude in unser Leben, bereichert es, laßt es nicht zum Zerrbild werden.
• Bringt öfter Positives, denn Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Freundschaft
gibt es auch heute noch.
Denkt nicht, es sei banal, darüber zu berichten. Es ist das einzige, das zählt.
-Ursula Weiner, HÖRZU-
Ein Kessel Buntes -- ARD --
"Hörzu" Nr. 29 vom 10.07.1992, S. 95:
Leicht verstaubt
Die Sendung war wieder eine Wucht und Karsten Speck Spitze!
-B. W. und F. A. aus Bünde-
Das Konzept dieser Show ist schon leicht verstaubt, aber die gute Mischung aus Akrobatik, Musik
und Humor macht sie dennoch sehenswert!
-B. Beckers aus A.-
Langweilig!
-A. H. aus Hannover-
Was hat man nur mit Karsten Speck gemacht? Seine erste Sendung war großartig. Aber jetzt
mußte er sich offenbar zu sehr der westdeutschen Fernseh-Mafia anpassen!
-Hiltrud B. aus Osnabrück-
Ein Heim für Tiere -- ZDF --
"Hörzu" Nr. 29 vom 10.07.1992, S. 95:
Sehr aufgewühlt
Die Wiederholung der ersten Folge dieser beliebten Serie hat mich sehr aufgewühlt.
Es ging um einen Hund, der von seinem Besitzer ausgesetzt wurde. Dabei kamen schmerzliche
Erinnerungen an meinen eigenen 18jährigen Rauhaardackel hoch, den wir wegen seines Alters
einschläfern lassen mußten. Das tut heute noch genauso weh, als hätte ich einen
lieben Menschen verloren. Vielleicht konnte diese Sendung eins bewirken: daß Menschen, die
vorhatten, ihren vierbeinigen Hausgenossen vor dem Urlaub auszusetzen, weil er ihnen
plötzlich lästig wird, es dann doch nicht tun!
-Ingeborg A. aus K.-
Liebe auf den ersten Blick -- ZDF --
"Hörzu" Nr. 29 vom 10.07.1992, S. 95:
Krampfhaft komisch
Der Moderator macht Handstand und ein paar Tanzschritte, die Assistentin reißt sein Jackett
in der Mitte entzwei, er sagt: "Das war´s." Finale der Sendung. Elmar Hörig
versucht krampfhaft, komisch zu sein, die Kandidatin muß raten, wie oft "Er" sich
am Tage die Zähne putzt, und das Publikum johlt auf Kommando! Da kann man nur sagen:
"Liebe auf den ersten Blick, Schwachsinn auf den zweiten!"
-Hedda B. aus Emden-
Ingolf Lücks Sketchsalat -- ZDF --
"Hörzu" Nr. 29 vom 10.07.1992, S. 95:
Keine Pointen
Wo blieben bei dieser Sendung die Pointen? Die Antwort: Es gab keine! Insgesamt soll es sechs
dieser Sketchsendungen geben. Meine Meinung dazu: Nicht "10 oder geh´n", sondern
"6 und dann endlich geh´n"!
-Harry W. aus Löbau-
-- "Hörzu" Nr. 30 vom 17.07.1992, S. 106:
In einem Sketch ging es um einen Kriegsberichterstatter, der sich aus einem Krisengebiet meldet.
Das war angesichts des Infernos auf dem Balkan mehr als geschmacklos!
-Hartmut L. aus Stuttgart-
Grand Prix der Volksmusik -- ZDF --
"Hörzu" Nr. 30 vom 17.07.1992, S. 106:
Muß Volksmusik immer nur aus Bayern kommen? Grand Prix der alpenländischen Musik
wäre der angemessenere Sendetitel gewesen!
-R. M. aus Düsseldorf-
Für Deutschland trat unter anderem das Nockalm Quintett auf. Aber das kommt aus Kärnten.
Gibt´s denn bei uns nicht genügend Interpreten?
-Roswitha H. aus Karlsruhe-
Eine der dümmlichsten Unsitten ist das alberne Mitklatschen des Publikums. Dadurch wird einem so
manche Darstellung ganz schön vermiest!
-Helmut G. aus L.-
Appell gegen brutale Fernsehbilder --
"Hörzu" Nr. 31 vom 24.07.1992, S. 112/113:
Ursula Weiners Bericht über Fehler und Verantwortung des Fernsehens
stieß auf großes Leserecho
Wunderbar haben Sie das geschrieben, Frau Weiner! In jedem Satz spürt man Ihren Glauben daran,
daß der Appell gegen brutale Fernsehbilder nicht ohne Wirkung bleibt.
-Peter K. aus Wiesbaden-
Immer mehr Gewalt- und Pornoszenen. Man kann gar nicht so schnell umschalten,
wie man überrumpelt wird.
-Sigrid D. aus Essen-
Es genügt, daß die Tageszeitungen negative Berichte bringen. Das Fernsehen sollte deshalb
mehr Positives aus Alltag und Natur zeigen!
-Dr. G. H. aus Wülfrath-
Leider gibt es noch eine zusätzliche Variante: die Herabsetzung religiöser Werte. So wird
noch mehr zur Orientierungslosigkeit beigetragen.
-Ursula M. aus Bocholt-
Soll man sich nur noch "Wetten, daß...?" oder "Forsthaus Falkenau"
ansehen, nur damit ein paar kranke Zuschauer nicht dazu angestiftet werden, als Ninja, Freddy Krueger
oder sonst eine fiktive Filmfigur prügelnd oder mordend durch die Welt zu laufen?
Ich jedenfalls möchte nicht auf gute Action oder Horrorfilme verzichten!
-Frauke F. aus Hamburg-
Wir stehen erst am Anfang der Gewaltwelle. Wo bleiben unsere Erfahrungen aus zwei Diktaturen?
-Willi B. aus Heppenheim-
Wir namenlosen Normalverbraucher werden gegen das verantwortungslose Verhalten der Fernseh-Gewaltigen
nichts erreichen, wenn sich nicht viel mehr Prominenz aus Showgeschäft, Politik und Sport
dafür einsetzt.
-Erika W. aus B.-
Bei bestimmten Sendungen den Umschaltknopf betätigen ist die einzige Lösung. Nur mit
sinkenden Einschaltquoten kann man die Fernsehgewaltigen beeinflussen!
-Ralf B. aus Berlin-
Die Saat, die besonders das Fernsehen aussät, indem es schaurige Details bis zum Sofa liefert,
ist voll aufgegangen: Brutalität nimmt ständig zu, nicht nur im Straßenverkehr oder
in den Schulen, sondern überall im Leben.
-Cilly G. aus Bremen-
Die Häufung schrecklicher Bilder stumpft die einen ab, die Reizschwelle steigt und wird dann durch
"noch Schlimmeres" durchbrochen. In der Rockmusik ist diese Reizüberflutung längst
gang und gäbe. Da machen aggressive Klänge, weitgehend ohne Entspannungsphase, kreatives
Besinnen unmöglich.
-Dr. Rainer Z. aus H.-
1981 brachte das ZDF den Mehrteiler "Tod eines Schülers". Als damaliger Lehrer eines
psychologischen Instituts erfuhr ich früh von diesen Vorhaben. Ich warnte das ZDF vor diesem
Film, weil er ganz sicher einen Nachahmungseffekt auslösen würde. Es war vergebens.
Gleich nach der 6. Folge brachten sich (nach meiner Erinnerung) fünf junge Menschen auf die
im Film gezeigte Weise um. Ein Jahr später zeigte das ZDF den Film erneut. Diesmal am
Sonntagnachmittag, damit auch jüngere Kinder "in den Genuß" kommen konnten.
Auch diesmal gab es einen Nachahmungseffekt. Ich stimme Frau Weiners Appell voll zu. Aber ich
befürchte, daß er zu nichts führt (führen kann? darf?). Denn die Interessengruppen
hinter all den Dingen, Politiker inbegriffen, lassen sich doch ihre Geschäfte nicht vermiesen!
-Prof. Dr. Ralph M. Jüliger aus Köln-
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