1969: 12-13, 32-34, Mondlandung, 48-49     
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Die lange Nacht der Landung auf dem Mond -- ARD + ZDF --
"HÖR ZU" Nr. 31 / 1969, S. 10:



Astronaut Armstrong betrat den Mond mit den Worten: "Ein kleiner Schritt nur für einen Mann, aber ein gewaltiger Schritt für die Menschheit." Millionen sahen ihm zu, hörten ihm zu. Eine neue Phase der Weltraumfahrt hatte begonnen; mit ihr feierte das Fernsehen seinen großen Triumph. Amerikas Fernsehtechniker natürlich an erster Stelle. Aber die Leistungen der beiden deutschen Programme waren ihrem Einsatz angemessen. Ein Mammutprogramm lief ab, exzellent vorbereitet für die ARD von Dr. Günter Siefarth, für das ZDF von Heinrich Schiemann. Und der Kritiker, der vielleicht diesem oder jenem die Siegespalme überreichen möchte, gerät in Verlegenheit.

Zwei Apollo-Sonderstudios. Das der ARD war vielleicht mit seinen schimmernden Tischverkleidungen architektonisch etwas raumfahrtnäher. Zwei Mondfähren-Modelle. Zwei Leitungen zum Raumfahrtzentrum in Houston. Zwei gewiefte Reporter am anderen Ende. Und hier - hier muß Kritik geübt werden. Denn der interessierte Zuschauer, der sich nichts entgehen lassen wollte, konnte nur immer wieder umschalten, von hier nach dort, von dort nach hier. Wollte er zuhören, wie der Gelehrtenstab Ernst von Khuons telefonisch gestellte Fragen der Zuschauer beantwortete, zur ARD. Wollte er an Heinrich Schiemanns Kenntnissen der Raumfahrt aus eigener Einsicht teilnehmen, dann zum ZDF. Und schaltete er vielleicht wieder zur ARD, versäumte er den ausgezeichneten instruktiven Rückblick auf die Geschichte der Raumfahrt, den das ZDF in Farbe ausstrahlte. Sobald aber Houston selbst ins Bild kam und später die Mondfähre und die beiden Männer auf dem Mond und Nixon, wie er vom Weißen Haus aus mit Armstrong auf dem Erdtrabanten telefonierte, dann waren Bild und Originalton auf beiden Kanälen gleich, und die deutschen Kommentare und Übersetzungen unterschieden sich nur in Nuancen.

So anerkennenswert also der Ehrgeiz der beiden Programme wirkt, mit jeweils eigenen Leistungen zu glänzen, der Effekt ist - vom Zuschauer her gesehen - zweifelhaft. Er wurde nervös gemacht. Die Vorstellung aber, daß beide ihre besten Ideen und Redakteure zusammengetan haben könnten, ist hoffentlich nicht zu schön, um künftig wahr zu werden. Wie trefflich allein hätte sich eine Zusammenarbeit der beiden deutschen Reporter bei der NASA, Werner Büdler und Friedrich Müller, ausgewirkt. Aber es bleibt auch so genug Anlaß zur Bewunderung. Bewunderung für die Astronauten und den ganzen Stab, der dieses "unglaublichste technisch-wissenschaftliche Unternehmen" - so Ernst von Khuon - mit solcher Präzision vorbereitete, daß es wie selbstverständlich ablief. Seine erste große Phase jedenfalls, die Landung auf dem Mond. Denn zu dem Zeitpunkt, da dieses Heft in Druck geht, ist das Weltraumabenteuer Apollo 11 noch nicht abgeschlossen; es liegen noch Fährnisse vor ihm.

Von den Astronauten strahlte Ruhe aus. Auch hinein in die Studios. Die Berichterstattung hatte die treffliche Mischung von Kühle in der Aussage und Wärme im Ton, die sich auf den Zuschauer überträgt. Es gab keine Hektik, kein Hurrageschrei, nur eine Fahne steht jetzt auf dem Mond, das Sternenbanner, aber nicht als Zeichen der Besitzergreifung, sondern als Gruß der Erde. Eine Fülle von Daten, Zahlen, technischen Angaben ging auf den Zuschauer nieder. Vieles kaum faßbar. Fühlte er sich überfüttert? Wir meinen: nein. Auch das spricht für die Berichterstattung.

-H. H. Brachvogel ("HÖR ZU")-


Aus der Rubrik "Das meint HÖR ZU":
Gedanken zu einem weltgeschichtlichen Ereignis -- "HÖR ZU" Nr. 31 / 1969, S. 6:

Und ihr seid dabeigewesen


Der Tag, an dem dies geschrieben wird, ist der 21. Juli 1969. Die Stunde: zwischen 7 und 8 Uhr morgens. Vor drei Stunden hat der erste Mensch seinen Fuß auf einen anderen Stern gesetzt. Jahrhundert-Ereignis? Jahrtausend-Ereignis? Erst unsere Urenkel werden das genauer beurteilen können. Es gibt auch Menschen, die sagen: Gewiß ein sensationelles Unternehmen - aber ein sinnloses. Was nützt uns der Mond? Gegenfrage: Nützt uns das Fernsehen? Immerhin, sagen sie, das ist weltumspannende Information, das dient dem Kennenlernen der Völker und der irdischen Probleme. Gut - was aber ist mit den Satelliten, die jene weltumspannende Information technisch erst ermöglichen und vervollkommnen? Sie sind ein eminent nützliches Produkt des angeblich so nutzlosen Raumfahrt-Programms. Und es gibt inzwischen beinahe 3000 nützliche Nebenprodukte. Die modernen technischen Projekte isoliert zu betrachten hat keinen Sinn. Raketen-, Atom-, Computer- und Nachrichten-Technik, das alles hängt zusammen, wirkt aufeinander ein. Wer beispielsweise die Übertragung der Olympischen Spiele aus Mexico City oder München in alle Welt bejaht, kann das Raumfahrt-Programm schlecht verneinen. Überdies: Wer vermöchte heute zu ermessen, wie sich einmal die neugewonnene Perspektive auswirkt - der Blick vom "Himmel" auf die Erde, auf unseren fruchtbaren, aber friedlosen Planeten? Wir haben gesehen, wie "die Erde über dem Mond aufgeht". Vielleicht geht uns damit ein neues Licht auf, vielleicht ändert sich das unsere Welt-Anschauung, unsere Maßstäbe, unsere Haltung? Das wäre ein unschätzbares geistiges Produkt der Mondfahrt. Und des Fernsehens.

Alles wandelt sich. Zum Beispiel unser romantisches Verhältnis zum Mond, zu den Sternen, zum Himmel. Ein schmerzlicher Abschied. Und keiner weiß, was wir mit der nüchternen Wahrheit gewinnen. Trotzdem: wir müssen damit leben. Oder: was die historische Wissenschaft bislang an Ereignissen überlieferte, beruhte bis zum Vor-Rundfunkzeitalter auf nachträglichen Erzählungen von Augenzeugen oder Berichten aus dritter und vierter Hand. "Und ihr seid dabeigewesen" - das galt nur für wenige unmittelbar Beteiligte. Heute erlebt die Menschheit ihre Geschichte "live", sachlich minuziös, über 380.000 Kilometer hinweg. Geschichte gerinnt im Augenblick zur Reportage für Millionen, die ihr aus bequemen Sesseln zuschauen. Ob behaglich - das ist eine andere Frage.

"Fernsehen heißt dabeisein." Das klingt neuerdings härter. Wir sind jetzt und künftig immer und überall dabei. Aber dabeisein ist nicht alles. Wir müssen auch gewinnen. An Einsicht und Weitblick. Sonst rennen uns die Ereignisse davon, und die Geschichte wächst uns über den Kopf.

21. Juli 1969. Der Mensch ist auf dem Mond. Aber dem Himmel auf Erden ist er noch immer sternenfern. Sein technisches Genie hat seine politische und soziale Entwicklung weit überflügelt. In dieser Hinsicht ist er offenbar falsch programmiert. Der nächste Schritt? Uns scheint es absurd, den Mars erobern zu wollen, während der alte Kriegsgott noch über die Erde marschiert.

-HV (HÖR ZU)-


Bummel durch die Studios -- "HÖR ZU" Nr. 31 / 1969, S. 12:

Was am "Mond-Tag" in den Studios von ARD (Köln) und ZDF (Hamburg) am Rande geschah

Falschen Jubel produzierte der Kameramann im ZDF-Mondstudio. Nachdem die Lautsprecher jubilierten: "Sie sind gelandet!", klatschte er hinter seinem elektronischen Auge so lange, bis alle Besucher einfielen. "Ich habe mich geschämt, daß ich nicht selbst darauf gekommen bin zu applaudieren", meinte ein Herr. "Die da oben hören ja sowieso nichts", holte ihn seine Frau auf den Boden der Tatsachen zurück.

Wie die Kinder begeisterten sich die Gäste im ZDF-Apollo-Studio für das 7 Meter hohe Mondlandegerät. Jeder wollte wenigstens die untersten Treppenstufen ausprobieren und sich da "für die Ewigkeit" als Mann im Mond fotografieren lassen. Eine Hamburger Journalistin wagte mehr: Sie stieg - miniberockt - bis auf die Veranda. Zuruf von unten: "He, Frau Luna, beim Abstieg linken Fuß zuerst aufsetzen!"

Im Mondlicht wollen die Telefonistinnen des Kölner Senders nie mehr spazierengehen. Sie können das Wort Mond nicht mehr hören. Über 5000 Anfragen mußten sie in der Landungsnacht verbinden. Es waren Zuschauer, die von dem Angebot, Fragen stellen zu dürfen, gern und pausenlos Gebrauch machten.

Heiterkeit im Sonderstudio des ZDF erregte die Wernherr-von-Braun-Anekdote, die Heinrich Schiemann den versammelten Journalisten in einer Sendepause erzählte: In den Anfängen der Weltraumfahrt waren sich die Wissenschaftler ziemlich uneinig darüber, ob man den Mond als erstes festes Ziel anvisieren sollte. Es gab Leute, die Flüge zu entfernteren Planeten für sinnvoller hielten und den Mond "links liegen" lassen wollten. Von Braun setzte sich jedoch für das Nahziel ein. Die Begründung? "Vom Mond hat schließlich jeder schon mal geträumt. Mit dem Ding kann man das Unternehmen am besten zusammenhalten!"

Alkoholverbot in Köln. Ab Sonntag, 12 Uhr mittags, bis zu Landung der "Fähre" auf dem Mond lagen im WDR-Studio für die etwa hundert an der Sendung beteiligten Damen und Herren Lunchpakete bereit. Zur Erfrischung gab´s nur Cola.

Gezündet hat die Landefähre des ZDF in den Werbebüros vieler deutscher Kaufhäuser. Sie wollten die Nachbildung kaufen. Somit wird das ZDF die Kosten von 14.000 DM für den Aluminiumbau bestimmt wieder in seine Kasse bekommen. Zuvor rollt das Mondschiff zur Funkausstellung nach Stuttgart.

Großen Durst entwickelten zwei jugendliche Besucher während der Mondnacht im Studio an der Alster. Das ZDF hatte für seine Gäste kostenlose Getränke bereit. 16 Flaschen eines colahaltigen Gebräus konsumierten die beiden Teens, ohne den Raum auch nur einmal für den Besuch eines der vielen ruhigeren Örtchen zu velassen...

Raumanzüge müßte man haben, stöhnte ein Zuschauer, als die Klimaanlage der Mondbekleidung erklärt wurde. Die Gewitterschwüle vor dem Studio wurde innen von ein paar Dutzend Scheinwerfern zusätzlich aufgeheizt. Und den Mut, wie Werner Stratenschulte das Jackett auszuziehen, hatten nur wenige Zuschauer. Sie wollten gut im Bilde sein, wenn die Kamera auch einmal über ihre Reihen schwenkte.

Außer Atem war Bühnenbildner Schulze, der die Herstellung der Mainzer Landfähre überwacht hatte. "Zweieinhalb Wochen Bauzeit haben wir nur für das Ding gehabt! Wirklich ein bißchen knapp!" Einziger Schönheitsfehler: Der Raketenmotor der Abstiegsstufe stimmt in seiner Form nicht mit dem Original überein. Lächelt Schulze: Das war Absicht. Damit uns den Motor hier keiner zündet!"

Unerhört fand ein Fernsehzuschauer der ARD aus Büdingen die Programmänderungen am "Mond-Tag". Er rief in Köln an und beschwerte sich bei der Sendeleitung: "Warum senden Sie nicht zu den Zeiten, die HÖR ZU ausgedruckt hat? Wen interessiert denn schon den ganzen Tag die Mondlandung...?"


Apollo XI -- ARD + ZDF -- "HÖR ZU" Nr. 32 / 1969, S. 8:

So lange saß ich noch nie ununterbrochen vor dem Bildschirm... Ein besonderes Lob sei Ernst von Khuon ausgesprochen. Einen besseren Vermittler zwischen den Anrufern und dem bewundernswert allgemeinverständlich antwortenden Gremium der Experten hätte man nicht finden können.
-Erwin L. aus Karlsruhe-

Endlich wissen wir, was Kontrastprogramm ist! Günther Siefarth erklärte es während der Live-Übertragung der Landung von Apollo XI. "Ich habe Anweisung, erst aufzuhören, wenn wenn das ZDF aufhört!" Nett, daß dieser Satz, der bestimmt nicht für unsere Ohren gedacht war, durch eine technische Panne zu uns kam! Frage: Schielt die ARD eigentlich immer mit derartigen Minderwertigkeitsgefühlen auf den anderen Kanal?
-Robert Z. aus W.-

Zu den ZDF-Übertragungen Folgendes: Nach wie vor ist Herr Schiemann in sein komplexes Luna-Wissen derart verliebt, daß er rücksichtslos jedermann unterbricht, habe er im Moment auch noch so Wichtiges zu sagen. Er gibt Kommentare, wo Kommentare bereits zur Genüge erfolgten. Und er meint, alles, was er wisse, sei nun gerade jetzt im Moment, das heißt also: während der ganzen Sendung, so wichtig, daß es rücksichtslose Unterbrechung der übrigen Fachleute rechtfertige. Schiemann hält sich für den absoluten Mittelpunkt im Studio und vergeht fast vor Ungeduld: Den historischen Moment der Landung von "Eagle" auf dem Mond zerredete Schiemann um ein Haar. Studio-Leiter Werner Stratenschulte konnte ihn im letzten Moment stoppen...
-Egon G. aus Hamburg-

Mich hat das Unternehmen zu einem gereimten Werk "Reise zum Mond" inspiriert:
Zu einem sündhaft hohen Preise / Bucht ein Mensch ´ne Weltraumreise / Und kaum sind drei, vier Tag´ verflossen / Sieht er sich auf den Mond geschossen / Da sitzt er nun und schaut zurück / Er ist ganz außer sich vor Glück / Er singt und jodelt, jauchzt dazu / Und nicht ein Mondkalb hört ihm zu / Aus vollem Hals hat er gesungen / Doch plötzlich war sein Glück zersprungen / Der Mensch verstummt, wird kreidebleich / Die Knie werden ihm ganz weich / Wie kam das nur, hat er gedöst? / Er hat den Hinflug nur gelöst.
-August N., Oberstudienrat aus L.-

Was würden wohl die Turffreunde dazu sagen, wenn während der Übertragung eines spannenden Rennens kurz vor dem Einbiegen in die Zielgerade zum Fernsehstudio umgeschaltet würde, wo dann ein Gelehrter die Bildbetrachter über die "Kunst des Mähnenflechtens beim Vierergespann unter besonderer Berücksichtigung der Rosse Ramses II." unterrichten wollte? So ähnlich wie diese genarrten Pferdefreunde kam ich mir vor, als ich - um Neues über die Monderoberer zu erfahren - auf das ZDF umschaltete und mir Ausführungen über den Mond als Motiv in der Kunst anhören mußte.
-Otto B. aus Frankfurt am Main-

Als der erste Astronaut wie ein heller Schemen auf dem Bildschirm immer größere Kreise um das Mondlandefahrzeug zog, um die Umwelt zu erkunden, erschien er mir wie der Adam eines neuen astronautischen Zeitalters.
-Paul G. aus Hamburg-


Verraten und verkauft -- ZDF -- "HÖR ZU" Nr. 32 / 1969, S. 8:

Tagelang zeigte uns das Fernsehen das Bild einer Weltnation, deren Einwohner als erste den Mond betreten. Man glaubte fast, daß alles so perfekt verliefe wie der Mondflug. Hoffentlich hat uns dieser Film eines Besseren belehrt.
-G. R. aus Gronau in Westfalen-

Gerade an diesem Tag, an dem sich die Mond-Euphorie überall ausbreitete, mußte ein derartiger Film gesendet werden. Ich meine, daß angesichts der Rassendiskriminierung, der Verhältnisse in den Slums und des Elends in weiten Teilen der Welt ein derartiges Raumfahrtprogramm nicht zu verantworten ist. Und daß aus allen Rechtfertigungsversuchen Zynismus spricht.
-Peter S. aus Osnabrück-

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