Kuli kommt wieder -- "Hörzu" Nr. 13 vom 23.03.1989, S. 8 - 10:
HÖRZU-Redakteur Siegfried Schneider sprach mit dem Altmeister der Show über das Fernsehen und seine Zukunft
Vor zwei Jahren hat er sich von der großen Show verabschiedet. "Es ist nicht gut, wenn der, der den Laden
unterhält, der Älteste im Saal ist", hat er damals gesagt und den Samstagabend anderen überlassen.
Nächsten Monat wird Kuli 68. Daß er sich nun endgültig zurückzieht, die Hände in den Schoß
legt und seine Salzburger Hausberge in der Abendsonne betrachtet, ist nicht zu befürchten. Im Gegenteil.
Jetzt juckt es ihn wieder.
Drängen tun sie ihn schon lange. Erst recht in jüngster Zeit, seit die Samstagabend-Unterhaltung so heftig
in die Diskussion geraten und der Mangel an guten Fernseh-Entertainern und -Showmastern so auffällig geworden ist.
Alles ruft nach Kuli. Alle wollen ihren alten Kuli wiederhaben. Lässig wie einer, der´s gut abwarten kann, sitzt
er im Schminkzimmer des Hessischen Rundfunks und läßt sich für seine nächsten
"Nachtgedanken" zurechtmachen.
Nur, mit diesen "Nachtgedanken", mit diesem Kuli zum Sendeschluß, ist es Ende des Jahres vorbei.
Und spätestens dann hofft die Fernseh-Nation auf sein Show-Comeback.
Die Erwartungshaltung ist groß. Ebenso wie die Drängelei am Telefon. Es vergeht kein Tag, an dem nicht jemand
anriefe und eine "verlockende" Verwendung für Kulis Popularität hätte. Man munkelt, sogar
ZDF-Unterhaltungsboß Wolfgang Penk hätte bei ihm angeklopft und auch der Bayerische Rundfunk.
Kein Kommentar.
Aber dann sagt Kuli ohne eine Spur von Selbstgefälligkeit: "Ich weiß nicht, woran es liegt, aber die
Nachfrage nach Kulenkampff war nie besser." Nur, verlockt hat ihn, was das Fernsehen betrifft, lange Zeit nichts.
Das scheint jetzt anders zu sein. Und wenngleich er sich noch ziert, die Katze aus dem Sack zu lassen - HÖRZU
hat´s erfahren: Kuli kommt wieder. Jochen Filser, der neue Unterhaltungschef des Hessischen Rundfunks, hat Kulis
neue Bildschirm-Karriere schon auf der Programmplanung für 1990:
• Ab Frühsommer nächsten Jahres wird Hans Joachim Kulenkampff neunmal eine 45-Minuten-Show machen,
live und jeweils zur besten Sendezeit ab 20.15 Uhr. "Kulis Tag" ist dann zwar nicht mehr der Samstag,
sondern der Dienstag. Und er wird auch nicht mehr in proppenvollen Hallen vor Tausenden von Menschen auftreten,
sondern in kleineren Sälen und Studios vor maximal 200 bis 300 Zuschauern.
Kuli, im legeren Sendeschluß-Dreß - Lederjacke und Jeans - läßt sich einen Moment Zeit:
"Die große Sendung will ich nicht mehr, dafür bin ich mittlerweile wirklich zu alt. Aus dem
Quiz-Alter bin ich heraus. Ich habe mich innerlich davon entfernt. So, wie ich als Schauspieler ja auch das Fach
gewechselt habe. Ich spiele nicht mehr den Ferdinand oder den Gyges, sondern den Darrow ("Im Zweifel für
den Angeklagten") oder irgendeinen anderen Alten. Ich habe gesagt, kein Quiz mehr und keine Talkshow.
Eine Dreiviertelstunde live, etwas, das ein bißchen Pep und Anspruch hat und vor allem Spaß macht."
Kuli kratzt sich an der Stirn, nimmt einen Schluck von seinem Mittagspausen-Champagner und unkt selbstironisch weiter:
"Wobei mir klar ist, was viele zu einer kürzeren Show sagen werden. "O Gott", werden sie sagen,
"das ist aber ein ungeheurer Abstieg. Na ja, eine Dreiviertelstunde strengt auch nicht so an.""
Es fällt ihm nicht im Traum ein, sich für den Fotografen in Positur zu stellen. Uneitel wie eh und je,
läßt er sich "nebenbei" ablichten, kommt kaum heraus aus dem Redefluß, bei dem es, wenn
der Altmeister erstmal so richtig loslegt, in Rundum-Manier auch um Politik (die Wahlen in Berlin und Frankfurt),
ums Fernsehen überhaupt ("Ist viel zu politisch geworden"), ums Segeln natürlich und um die Presse geht.
Die hatte ihn Anfang des Jahres in die Unterhaltungs-Schelte miteinbezogen. Kuli habe von Elstner die Nase voll.
"So ein Blödsinn", fährt er auf, "ich würde zwar sagen, daß die Sendung dramturgische
Mängel hat, keine Linie und keinen roten Faden und daß ich die auch nicht retten könnte, aber ich
würde bestimmt nicht auf den armen Elstner losgehen. Im Gegenteil. Ich habe gesagt, der Mann hat jetzt 15 Jahre
lang zur Zufriedenheit aller große Sendungen gemacht, und nun setzt er mal was in den Sand, und gleich ist er
der Versager, der Nixkönner. Das ist doch blödsinnig. Wir haben doch alle schon mal was falsch gemacht.
Nein, es liegt nicht an den Leuten" - er zählt Gottschalk, Elstner, Carrell und auch Schanze auf -, sondern
an den Inhalten. Die Bücher stimmen nicht, das Konzept ist nicht in Ordnung."
Kuli - schade, daß ihn kein Unterhaltungschef hört - setzt nach. "Ich glaube, wir sind in diesem Punkt
wieder bei den Anfängen des Fernsehens. Entweder man macht die gekonnte souveräne Klamotte wie Herr
Frankenfeld, wo ein Mensch einen kompliziert zerlegten Liegestuhl wieder aufstellen muß, sich mit
Boxhandschuhen ein Streichholz aus der Schachtel holt und eine Zigarette anstecken muß, oder man macht Unterhaltung mit
einem gewissen Anspruch. Was wir jetzt haben, ist weder noch. Das ist weder Klamotte noch Anspruch. Und das
merken die Leute auch. Es sei denn", grinst er maliziös, "es funktioniert heute alles nach dem
"Lindenstraßen-Prinzip": Wenn sie etwas nur lange genug weitermachen, kommt das schon
von selbst in Ordnung."
Kuli ist in Form, das merkt man. Sein Terminkalender ist randvoll. Bis Ende April ist er mit dem Darrow auf Tournee.
Im Mai und September werden die letzten "Nachtgedanken" aufgezeichnet. Dazwischen geht´s - Kulis
nimmermüde Leidenschaft - auf großen Segeltörn nach Skandinavien. Und im Oktober beginnen die Proben
für sein neues Tourneestück "Na und?" (Premiere am 10. November in Hamburg), eine
französische Komödie, in der er einen guterhaltenen Siebziger spielt ("Das bringe ich noch einige
Jahre"), der eine junge Frau heiratet. "Das Stück", sagt Kuli, "ist noch nicht einmal
zu Ende übersetzt, aber für 1990 sind schon 75 Vorstellungen verkauft."
70 weitere Auftritte mußte er obendrein noch absagen und 30 Tucholsky-Lesungen dazu. Wie sehr gerade diese
Tucholsky-Abende überall gefragt sind, dazu weiß er eine Episode aus Hamburg-Bergedorf. Die
Veranstalterin teilte ihm kurz vorher mit, daß ein Mann ihr gerade 150 Mark für eine Eintrittskarte
geboten hätte. Sie habe ihn aber nicht hineingelassen, weil er sturzbetrunken gewesen sei. Kuli hat das
sofort in seine kleine Begrüßungsansprache eingebaut. "Ich gratuliere Ihnen, daß Sie einen
Platz gefunden haben. Gerade war ein Mann draußen, der dafür 150 Mark ausgeben wollte.
Der muß betrunken gewesen sein."
Tourneen über das Jahr 1990 hinaus, alte Verpflichtungen, neue Stücke, Lesungen...
Was ist, wenn ihm die neue Show vom Hessischen Rundfunk nun plötzlich doch nicht gefallen sollte?
"Dann", sagt Kuli, "bin ich auch der ARD nicht mehr verpflichtet. Die Ausschließkeit,
an die ich mich bisher immer gebunden gefühlt habe, endet mit diesem Jahr. Ab 1. Januar 1990, sollte
ich dann noch leben, bin ich ein freier Mensch und kann auftreten, wo ich will.
Auch beim ZDF oder bei den Privaten..."
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