Elektronen spielen Fußball -- "Hörzu" Nr. 35 / 1973, S. 85:
Ein Amerikaner, dem Las Vegas zu fade war, erfand das von Schaub-Lorenz ausgestellte elektronische
Trimm-Dich-Gerät 'Odyssee'. Es macht jede Mattscheibe zum Spielplatz. Wie bei richtigen Spielen
sind für den Wettkampf zwei Parteien nötig. Jede bekommt einen Klein-Computer, der als Spielzentrum
über ein Kabel mit der Antennenbuchse des Fernsehers verbunden ist. Zehn Spiele können programmiert werden,
u. a. Eishockey, Fußball, Autorennen, Tennis. Bleiben wir beim Tennis. Zunächst wird am Spielzentrum
'Tennis' eingestellt. Sofort leuchtet auf dem Fernsehschirm das Spielfeld auf, mit einem Mittenstrich als 'Netz'.
Ein Druck auf die Starttaste, und der Ball wird 'eingeworfen'. Zugleich erscheinen die beiden Spieler, die
über Schalthebel am Spielzentrum präzise bewegt werden können. Der Ball springt über das
Netz, der andere Spieler muß sich so bewegen, daß er zurückschlagen kann, sonst fliegt der
Ball ins Aus. Trifft die Gegner-Figur, so fliegt er zurück. Der Spieler hat die Möglichkeit,
zu bestimmen, wo der Ball auftreffen soll, er kann ihm auch 'Effet' geben.
Preis: 396,- Mark.
Die Mattscheibe wird zur Spielwiese --
"Hörzu" Nr. 35 / 1973, S. 85-92:
Quadrophonie: Musik aus allen Ecken * Farben für unterwegs *
Eigenes Programm durch Bildplatte und Magnetband *
Vorweg die Feststellung: Berlin ist die Reise wert! Die 'Internationale Funkausstellung 1973'
ist die größte, teuerste, lauteste und - auch die letzte, an der die Sender sich mit öffentlichen
Veranstaltungen beteiligen.
Die Intendanten sind nämlich verschnupft, weil sie mit ihren Publikumsmagneten die Massen zu einer Ausstellung
locken sollen, auf der die Industrie vor allem Erfindungen groß herausstellt, die vom öffentlichen
Sendeprogramm unabhängig sind.
Unabhängig und aktiv - so stellt sich die Geräte-Industrie den Fan der modernen Heim-Elektronik vor.
Audio-visuelle Systeme ringen um seine Gunst, und jeder soll sein eigener Programmdirektor werden. Nicht nur,
was aufgezeichnete, erworbene selbstproduzierte Programme angeht: technische Tricks und Neuerungen machen den
Bildschirm zur elektronischen Spielwiese sondergleichen!
Dabei stört die größte Mattscheiben-Sensation die Funkhäuser noch am wenigsten: 'Odyssee',
eine amerikanische Erfindung, die die Bildröhre zum Spielfeld macht. Mit dem Steuergerät, das an die
Antennenbuchse eines jeden Fernsehgeräts anzuschließen ist, können die Zuschauer auf der Mattscheibe
elektronisch Tennis oder Fußball spielen, sie können Autorennen oder Wettläufe im All veranstalten.
Bilder aus der Rille
Weit mehr als dieses elektronische 400-Mark-Spielzeug geht den Fernseh-Verantwortlichen die neue Technik der hausgemachten
Sendungen an die Nieren.
Denn ab Funkausstellung 1973 kann jeder sein ganz persönliches Programm sehen, wenn
er eine Platte auf- oder ein Band einlegt!
Zwischen dem dem 31. August und dem 9. September wird endlich gezeigt, wovon schon so lange geredet wird: die der
Schallplatte entsprechende Bildplatte und das dem Tonband ähnliche Bild-Band.
Das jüngste Kind der 'Lustelektronik' hört auf den unaussprechlichen Namen 'Audio-Vision', auf deutsch:
Hören-Sehen, und gleich drei miteinander konkurrierende und untereinander nicht austauschbare Systeme
suchen ihren Liebhaber.
TED von Telefunken. Es benutzt die Bildplatte. VCR von Philips, es braucht Magnetband. Und das namenlose mit dem
Super-8-Film. Mit dem Magnetband kann man am meisten anfangen. Wie ein Tonband nimmt es auf, es kann gelöscht
werden, wiederverwendet werden. Wie alle anderen Systeme auch, paßt es an jeden Fernseher, braucht keinen
Extra-Anschluß.
Nachteil: der hohe Preis. Abspielgerät über 3000 Mark, Band pro Stunde 140 Mark.
Jede Minute eine Mark
Die Bildplatte macht's billiger. Telefunken verlangt 1148 DM für den Plattenspieler; je 10 Minuten Programm
kosten von 10 Mark an aufwärts, je nachdem ob auf der Platte eine Plotte oder ein Kunstwerk ist.
Der Super-8-Film hat sich nicht verändert. Liebhaber können ihn selbst belichten, sie können ihn
kaufen oder leihen. Neu ist das Abspielgerät, es bringt die Bilder auf die Mattscheibe.
Wer sein Programm nicht selbst machen will, wird zum Stillsitzen verurteilt. Denn Erfinder aller Länder
vereinigten sich in dem Bemühen, Sehern und Hörern den kurzen Weg zum Gerät auch noch zu verstellen:
Fernbedienung heißt die Parole - sowohl beim Fernsehen als auch bei den teuren Stereogeräten.
Dabei ist Stereo auf dieser Ausstellung verdoppelt worden. In Quadrophonie. In den Sound aus vier Ecken.
Nun können Lautsprecher in jeder Ecke eine wunderschöne Sache sein. Der Schall umgibt sie. Aber die Sache
hat einen Haken (sagt Sonab): Wenn Sie die beste Wirkung des Vier-Ecken-Lautsprechersystems erleben wollen, müssen
Sie reglos an dem Punkt verharren, an dem sich die Schallstrahlen kreuzen. Bei einer Parsifal-Aufführung
sind das fast fünf Stunden!
HiFi aus Holland
Dennoch wird für die Quadrophonie getrommelt - und wie. Warum? Telefunkens Verkaufschefs Wilhelm Kahle sagt,
wie's ist: "Wir können doch nicht zulassen, daß Kunden, die ein Quadrosystem hören wollen,
zu den Ausländern gehen."
Und der Blaupunkt-Sprecher wird noch deutlicher: "Wir zeigen nur, daß wir diese Technik beherrschen.
Ein Geschäft versprechen wir uns kaum!"
HiFi. In Berlin dröhnt's aus allen Boxen. Sogar der Philips-Konzern macht mit. Und gleich mit einer 'weltbewegenden
Erfindung': dem elektronisch rückgekoppelten Lautsprecher.
Für Nichtakustiker: Das ist eine 15-Liter-Box mit einem besseren Klang, als ihn eine herkömmliche
200-Liter-Box bieten kann!
Bisher hat der holländische Elektrogigant bei den HiFi-Fans keine Rolle spielen können. Also ließ
er in seinen Labors auf Biegen oder Brechen (d. h. ohne Rücksicht auf die Kosten) einen HiFi-Baustein entwickeln,
wie ihn kein anderer hat. Ergebnis: eine 60-Watt-Box für 800 Mark, die nach Natur und nicht wie bisher
nach Schachtel klingt.
Zukunftsmusik
Fast noch sensationeller ist das Superding von Blaupunkt, ein Steuergerät, das man wohl nie wird kaufen können.
Ein Radio, an dem gezeigt wird, was man alles bauen und - weglassen kann. Weggelassen wurde z. B. die Skala, weil
niemand sie mehr braucht, denn alles läuft automatisch (siehe Beschreibung unten).
Ebenfalls unverkäuflich sind die Antennen für den Direktempfang von Sendungen über Satelliten.
Denn: Auf der Funkausstellung wird's zwar gezeigt, aber aber zu unseren Lebzeiten kann kein Satellit jedes Programm
jedes Senders zu uns ins Haus strahlen. Es ist zu teuer, technisch zu aufwendig und politisch nicht realisierbar.
Übrigens: Wer glaubt, er sei modern, weil er ein Elektrogerät mit weißem Gehäuse hat, der irrt.
Der Elektronik-Modepapst Braun liebt es in diesem Jahr schwarz. "Schwarz gibt den Geräten den vom
Publikum gewünschten Profi-Look", sagt der Sprecher der Firma Braun (die einmal das Weiß erfand).
Spötter uzten: Was dem Auto die Rallyestreifen...
Über Geld wird übrigens in Berlin nicht gesprochen.
Da ab nächstem Jahr die Preisbindung aufgehoben ist, sagen die Aussteller nur Händlern hinter verschlossenen
Vorhängen, welchen Preis sie ab Fabrik verlangen. Herr und Frau Jedermann erfahren erst im Laden, was ihr neues
Spielzeug kosten wird. Nach der Funkausstellung.
-- Benno Strauss --
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